Das Ende einer Provinzposse

Wenn sich Politiker etwas ausdenken, dann kann es recht teuer werden und der Nutzen ist zweifelhaft. Sankt Augustin investierte 44.000 Euro für eine Lok im Käfig. Wenig später erhielt die Stadt ein weiteres RSE-Denkmal, ohne einen Cent Steuermittel aufbringen zu müssen. Der Schlußpunkt unter die leidige Geschichte der V5 in Sankt Augustin.
Mit freundlicher Druckgenehmigung der Zeitschrift LOK-Report.

Provinzposse um zwei Lok-Denkmäler

“Diese Lok bekommt Wolfgang Clössner nicht!” – verkündete Herr Meys, Ortsvorsteher der Sankt Augustiner CDU in der Bonner Rundschau. Er saß er wegen einer Müll-Schmiergeld-affäre in der JVA Rheinbach ein, hielt aber alle Fäden weiter in der Hand. Es ging um eine Feldbahndiesellok, welche die historische Rhein-Sieg Eisenbahn (RSE) zum Verschub in Hennef bis 1967 benutzte. Das Maschinchen hatte die junge Stadt Sankt Augustin im Jahre 1987 für 50.000 DM (!) erworben. Als Spielplatzgerät (laut Gemeinde-Inventarliste) stellte sie das luxuriöse Klettergerät feierlich auf dem Gelände des ehemaligen Bahnhofes Niederpleis auf. Im Preis inbegriffen war ein hölzerner Muldenkipper, wie er in Steinbrüchen verwendet wurde. Weder die Lok noch Muldenkipper haben irgendeinen historischen Bezug zur Ortsgeschichte. Genauso gut hätte die Stadt, für dasselbe Geld, eine DR-Dampflok aufstellen können. Nach dem Sektempfang und dem obligatorischen Händelschütteln der lokalpolitischen Größen vor der Presse übernahmen Kinder die Regie.

Sie bekrabbelten fröhlich das neue Spielzeug. Andere zerschlugen den Schaukasten zur Eisenbahngeschichte. Die naturgemäß wenigen Armaturen einer Feldbahndiesellok wurden zerstört oder gestohlen. Ihnen folgten Eisenbahn-Liebhaber der besonderen Art, welche dem Denkmal noch eine zeitgemäße Graffiti-Lackierung verpassten.

Im Jahre 2000 drohte der morsche Muldenkipper zusammenzubrechen. Üblicherweise rufen Kommunen in solchen Fällen den nächst besten Schrotthändler zwecks klammheimlicher Entsorgung an. In diesem Falle meldete sich der Autor und schlug vor, zusammen mit der Dampflok 53 der RSE ein Museum in Sankt Augustin auf eigene Kosten zu errichten. Damit sollten die letzten Betriebsmittel der RSE vereinigt werden. Der Muldenkipper hat zwar keinen Bezug zur Bahn, er passt zur Lok so gut wie beispielsweise ein Wohnanhänger hinter einem Leichenwagen, aber sei’s drum. Die Antwort kam postwendend: “Abgelehnt, für ihre Fahrzeughalle müssen wir ja einen Grünflächenaustausch machen!”. Dergleichen ist lästig und riecht nach Arbeit.

Im ehemaligen Endpunkt Asbach der RSE hingegen erklärte sich die Gemeinde sogar bereit, den historischen Lokschuppen der RSE auf eigene Kosten zu renovieren. Plötzlich war der Autor in aller Munde. Der Bürgermeister von Sankt Augustin verfasste einen Brief und sandte ihn an seinen Asbacher Parteigenossen. Der Sinngehalt: Ein Museum zum Thema RSE würde er gerne unterstützen – die Lok möchte Sankt Augustin natürlich behalten. Der noble Spender möge doch auch bitte hier aktiv werden. Der neue Aufstellungsort wird noch mitgeteilt…

Mit dem Thema “Lokdenkmal” befasste sich anschließend der Augustiner Kulturausschuss. Brave Bürger, die abends über Kanaldeckel oder Friedhofseinfassungen diskutieren. Interfraktionell traf man sich anschließend in der Rathstube zu Getränken. Der ortsansässige Grüne, Alt-68er, Typ ZDF-Pauker R. Atzhorn (“Unser Lehrer Dr. Specht”), chronischer Weltverbesserer und deshalb Lehrer von Beruf, proklamierte: “Nimm die V5 mit, wir haben keine Verwendung für diese ortsfremde Lok!” Ein paar Tage später war das Gegenteil in den Gazetten zu lesen. Aus der JVA aus hatte Meys auch die Birkenstock-Fraktion auf Linie gebracht.

Ein Sankt Augustiner Christdemokrat versuchten die Latte höher zu hängen. Ein Austausch der Diesellok gegen eine aufgearbeitete Dampflok wäre jederzeit möglich. Mit solchen Verhandlungs-Erfolgen lässt sich die interne Parteikarriere beschleunigen. Der Gedanke, eine Dampflok vergammeln zu lassen, um dafür eine schrottreife Feldbahndiesellok zu erhalten, ist etwas abstrus, wirft aber ein gutes Bild auf die Politik.

Mittlerweile schaltete sich auch ein Sankt Augustiner Anwalt ein, der eine ehemalige Agentur der RSE erwarb und zum Nobel-Esstempel umgestaltete. Auch ihm stand der Sinn nach werbeträchtigen Schmalspurzügen. Sollte Sankt Augustin demnächst zwei RSE-Denkmäler besitzen, von denen keines authentisch ist?

Exakt so kam es. Der Autor verkaufte eine Ns3h und zwei Rübenwagen aus Kruschwitz/Polen an den Gastronom. Die Stadt ließ ihrerseits die Feldbahndiesellok nebst Muldenkipper für 44.000 Euro nicht betriebsfähig aufarbeiten. Seit dem November 2004 hat die Bonner Schlafstadt zwei Denkmäler in unmittelbarer Nachbarschaft: eines umsonst, und das andere für 44.000 Euro aus Steuergeldern.

Das Prozedere erinnert an ein Wahlkampfplakat der Jungen Demokraten (FDP) aus den 70er Jahren. Es zeigt drei Parteigrößen der CDU, FDP und SPD im Porträt. Darüber der Schriftzug “Wir wollen das Beste vor Euch!”. Winzig klein in einer Ecke: ”….und das lassen wir uns auch nicht nehmen!”. Das Plakat wurde in der damaligen Bundesrepublik verboten.